Warenangebot war äußerst kläglich / Einkäufer betrog Häftlinge durch verdoppelte Preise
Gefangene mit Lagergeld zur Arbeit angetrieben

,,Zuckerbrot und Peitsche“, eine Maxime, die auch den Nationalsozialisten gut bekannt war. So wurden im Außenkommando Schwerte Gefangene nicht nur mit Gewalt zur Arbeit gezwungen, sondern auch mittels Prämien zu fleißiger Arbeit angetrieben.,,Die Häftlinge erhielten einen fiktiven Lohn in Form von Lagergeld“, erklärt dazu Manfred Grieger, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bochum mit den zahlreichen Außenkommandos des KZ Buchenwald beschäftigt hat. Im Archiv der ,,Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ in der DDR fand er dabei die Aussage des ehemaiigen Häftlings ,,Nr. 6493“ Oskar Biewald über dessen Tätigkeit als Kantinenverwalter im Lager Schwerte-Ost.
,,Da der Nachschub des Hauptlagers Buchenwald-in das Außenkommando Schwerte unregelmäßig war, wurde in Schwerte eine Art Kantinenvertrieb eingerichtet“, erinnert sich Biewald. Für ihren wöchentlichen Prämienverdienst zwischen zwei und zehn Mark Lagergeld versuchten sich die Häftlinge ihr hartes Los ein wenig zu erleichtern. Allerdings war das Warenangebot äußerst kläglich: in der Hauptsache Ersatzgewürze, Ersatzseife ,,Schmutzfresser“, gelegentlich Bier oder Brause, seltener Möhren oder Rote Rüben. Nicht viel zum Sattessen, dafür scheute sich der zuständige SS-Einkäufer aber nicht, die Gefangenen durch verdoppelte Preise zu betrügen.,,Wenn die Häftlinge zuviel Geld hätten, würden sie den Antrieb, sich mit fleißiger Arbeit Prämien zu verdienen, verlieren und es würde dann überhaupt nichts mehr gearbeitet.“ Dabei klingt es fast wie Hohn, daß dieser Gewinn den Speiseplan der SS-Kantine zu bereichern half.
Zusätzlich zu den von der Hauptkantine in Buchenwald gelieferten Lebensmitteln wurden weitere für die Haftlinge in Schwerte besorgt. Eigentlich müßte es zumindest einigen Bürgern der Ruhrstadt nicht unbemerkt geblieben sein, wenn Biewald in Begleitung des SS-Mannes derartige Einkaufsgänge unternahm. So soll beispielsweise in einer Bäckerei Brot gekauft worden sein. Da das Lagergeld ,,draußen“ wertlos war, gelang es den Gefangenen zuweilen, ihren Bewacher zum Umtausch in Reichsmark zu bewegen. Auf diesem Wege illegal beschaffte Lebensmittel halfen dann den schlimmsten Hunger zu stillen.
Wieviel Elend und Not mit dem Lagergeld verbunden waren, daran denkt wohl kaum jemand, der den kleinen, rötlich-braunen Schein mit schwarzem Aufdruck in die Hand nimmt. Hergestellt durch eigene SS-Druckereien in den Konzentrationslagern, wurde lediglich der Name des jeweiligen Außenkommandos nachträglich aufgestempelt.
Dabei galt der Aufdruck .,Schwerte“ lange Zeit als die Fälschung eines Sammlers. Jedoch hält Notgeld-Experte Winfried Zacharias (Hattingen), der auch die Sammlung des Landesmuseums Münster betreut, nach Bekanntwerden des Biewaldschen Protokolls die Existenz von Schwerter Lagergeld für durchaus möglich. Aus welchen Quellen die unscheinbaren Scheine nach Kriegsende wieder aufgetaucht sind, läßt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen.
Während das im Frankfurter Geldmuseum aufbewahrte Exemplar gegen Ende der sechziger Jahre aus der umfangreichsten Privatsammlung an die Deutsche Bundesbank kam, tauchte im Oktober 1975 ein weiteres Stück in der Angebotsliste einer Frankfurter Münzhandlung auf. Für 150 Mark Sammlerwert verschwand ein Dokument über die dunkelsten Tage der Schwerter Geschichte.